Der Markt um Rucksäcke ist extrem umkämpft. Marktführer wie Ortovox genießen diesen Kampf scheinbar von einem eigenen Podest aus. Vor allem in dem Moment, in dem Ortovox Marketing, Kollektionen und die richtige Positionierung von Produkten verstanden hatte, war klar, dass Ortovox einen Kassenschlager nach dem nächsten veröffentlichen kann. Problem: Marketing und Co. haben noch keinen Rucksack einwandfrei gestaltet – das ist immer noch Sache von Entwicklung, Design und Qualitätskontrolle. Die Peak Reihe hat nun schon zum dritten Mal einen neuen Auftritt am Markt und nun hat der Peak 35 bei der AlpenAcademy 365 Tage durchgestanden, sodass er im Langzeittest einen Platz bekommt.
Testrahmen: Getestet wurde der Rucksack über ein Jahr Einsatzzeit. Dabei war er auch Hochtouren, kombinierten Touren, beim Eisklettern, bei Mehrtagestouren und Trekkingtouren im Einsatz. Es sind etwa 60 Touren (teilweise mehrere Tage pro Einsatz gerechnet) mit dem Rucksack passiert, wobei die Verteilung der Einsatzarten sich auf Hochtouren und kombinierte Hochtouren konzentriert.
Funktionalität
Ortovox hat mit dem Peak 35 ein Funktionalitätsmonster erschaffen. Er will in allen Punkten des Komforts und der Funktionen zugleich abliefern. Dabei gibts auch frischere Ideen wie eine Steigeisentasche an der Außenseite, um innen Nässe zu verhindern und Platz zu sparen. Diese ist jedoch mit vielen Steigeisentaschen nicht kompatibel, da sie nicht genug Raum für Steigeisen + Tasche hat. Ohne Tasche passen alle gängigen Steigeisen problemlos hinein. Zugleich muss klar sein, dass ein Seil nicht mehr als “große” Seilpuppe am Rucksack befestigt werden kann, da diese von den Steigeisen blockiert wird. Das Seil muss also als richtige Seilpuppe transportiert werden, damit die Steigeisen außen dranbleiben können.
Die Vielzahl an Fächern ist es, die Ortovox immer schon besonders vielseitig gemacht hat. Jedoch müssen Fächer auch sinnvoll sein und nicht nur “da”. Am Deckel sieht man gut, wie es gehen sollte. Zwei Fächer mit perfekter Größe und gut durchdacht. Anders an der Front. Ein Fach für die Lawinenausrüstung ist im Sommer nur bedingt nutzbar, da dieses aufgrund mangelnder Tiefe Platz im Hauptfach einnimmt. Für das Frontfach gilt das in ähnlichem Ausmaß, vor allem bei Befestigung eines Helms. Der Helm muss nämlich mittels Helmnetz entsprechend festgezogen werden, was dazu führt, dass die frontalen Fächer vom Helm zugedrückt werden. Befindet sich jedoch bereits etwas in den Frontfächern, dann blockiert der Helm den Zugriff darauf zumindest teilweise. Jedenfalls aber wird ein Zugriff erschwert, vor allem wenn der Rucksack sehr voll ist.
Die Öffnung des Frontzugangs ist ein weiterer Problempunkt, der der eigentlich guten Idee von Ortovox geschuldet ist. Die zu 3/4 zu öffnende Front lässt den Rucksack zum Organisationswunder werden – jedoch lässt sich der Frontzipper bei starker Befüllung kaum noch schließen, vor allem wenn die Seitenwand und Front durch außen befestigte Gegenstände den Reißverschluss auseinanderziehen. Ein Problem, das in der Praxis gerade mit Handschuhen oder in der Kälte zur Verzweiflung führen kann. Überfüllung, sperrige Gegenstände oder ähnliches verschärfen dieses Problem. Für eine mäßige Befüllung beim Trekking oder bei einfachen Wanderungen ist dieses Feature aber definitiv gelungen und eine Aufwertung.
Qualität
Der Rucksack leidet bereits nach einem Jahr stellenweise unter Pilling. Die Fasern der Kunstfaser fransen leicht aus und bilden kleine Knoten. Das ist auf Materialverschleiß zurückzuführen und für einen Rucksack fürs Hochgebirge eigentlich ein echtes Problem. Schließlich sollten solche Rucksäcke für viele Jahre ein Begleiter bei rauen Bedingungen sein und keine kurzen Vergnügen. Vor allem bei einer stolzen UVP von 240,00€
Der Boden des Peak 35 ist für die Nutzung erstaunlich gut erhalten und auch der Rücken sieht mit all seinen Polstern erstaunlich frisch aus. Auch die Polsterungen sind noch nicht abgenutzt, sodass der Komfort weiterhin bestehen bleibt.
Problematischer ist hier schon die Verarbeitungsqualität der Features. Die Pickelbefestigung ist nach einem Jahr bereits aus der Vorrichtung rausgerissen. Dieses Problem lässt sich zwar selbst beheben, jedoch ist die Konstruktion so schwach, dass die Verknotung der Pickelbefestigung sich über die Zeit immer wieder lösen wird. Der Kordelzug hat eine zu glatte Oberfläche und rutscht dadurch aus Knoten über die Zeit immer wieder raus. Eine 100 % Garantie, dass das mitten auf der Tour nicht passieren kann, gibt es damit eben nicht mehr.
Auch die Steigeisentasche hat ihre Probleme. Grundsätzlich sind zwei Löcher zum Abtropfen von Wasser vorgesehen – jedoch gibt es auch ein Loch, das keinerlei Mehrwert bietet. Die Steigeisentasche kann nicht komplett bis zum Ansatz zugenäht werden, da sonst zu viel Spannung entstehen würde und die Tasche zu klein würde. So bleibt der Ansatz der Naht offen, wobei die Naht selbst nicht sauber endet, sodass sie bei zu viel Spannung einreißt und langsam aber sicher die Steigeisentasche beschädigt. Es entsteht ein Loch am unteren Ansatz.
Die Qualität des Innenlebens ist mangelhaft. Im Fach für Lawinenausrüstung gibt es eigene Unterfächer für den Schaft der Schaufel und die Sonde. Jedoch hat das dünne Unterfach des Schafts allein durch das hineinstecken und hinausziehen schon so viel Reibung erlebt, dass das Material mittlerweile durchgescheuert ist. Das passiert schon nach nicht allzu vielen Skitouren. Bedenklich im Sinne der Sicherheit ist das natürlich nicht, aber es ist schlichtweg ärgerlich.
Fazit zum Ortovox Peak 35
Der Ortovox Peak 35 kostet EUR 240,00 bei Ortovox und ist damit einer der teureren Hochtourenrucksack ohne spezielle Beschichtungen oder Materialien. Er hat viele Features, doch die Features sind teilweise nicht zu Ende gedacht, nicht ordentlich verarbeitet, oder schlichtweg nicht ausgereift. Viele gute Ideen treffen auf eine schwierigere Realität. Somit sind die Features und Ideen des Rucksacks sehr gut, aber eben nicht für das ausgelegt was Ortovox letztlich verspricht.
Die Steigeisentasche ist eine gute Tasche für die Nalgene Flasche, oder die Stöcke, das Lawinenfach ein gutes Fach für mehr Unterteilung beim Trekking, und so weiter… So bleibt ein guter Rucksack, der aber nicht in der Liga mitspielt, für die er sich eigentlich qualifiziert hätte. Das ist schade, macht es den Ortovox Peak 35 doch zu einem sehr, sehr teuren Wanderrucksack, der für deutlich mehr bestimmt wäre.