Beim Thema Ernährungsmythen weiß man eigentlich nicht, wo man anfangen und wo man aufhören soll. Oftmals sind die Anhänger mancher Ideen und Theorien so in ihrer Meinung gefestigt, dass es schwer ist manche dreisten Lügen tatsächlich zu widerlegen. Doch diesmal soll es um ein typisches Problem gehen, dem viele Neulinge im Bereich der Ernährung und des Sports aufsitzen.
Da es keinen Namen für diese Denkweise gibt, nenne ich sie gerne „Hauptsache drunter“-Phänomen. Denn Hauptbestandteil des Problems ist, dass viele Menschen, die sich das Abnehmen gerade vorgenommen haben oder erst seit Kurzem daran arbeiten mit dem Irrtum arbeiten, dass die aufgenommenen Kalorien in ihren einzelnen Bestandteilen, also den Makronährstoffen zweitrangig sind, solange es nicht zu viele Kalorien sind. Da gibt es nun einerseits die Fraktion jener, die fest davon überzeugt sind, dass man sich einfach nur an das vorgegebene Defizit halten muss und man den restlichen Bedarf auch einfach mit Snickers füllen kann, deshalb „Hauptsache drunter“. Auf der anderen Seite steht die Fraktion jener, die ein Kaloriendefizit für nicht notwendig halten, sondern ausschließlich die zu sich genommen Makronährstoffe relevant sind. Aus dieser Denkweise entstehen übrigens viele Diätformen, dazu in anderen Beiträgen mehr.
Beide Fraktionen liegen aber aus wissenschaftlicher Sicht schlichtweg falsch. Oder um es etwas präziser zu formulieren: „Hauptsache drunter“ hat zwar den gewünschten Effekt, aber 1. Nicht langfristig, 2. Nicht zuverlässig und 3. Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des gewünschten Effekts sehr gering ist. Vor allem scheitert diese Methode auch am Glauben an die lächerliche Einfachheit des Abnehmens. Tagesbedarf – Defizit = dünn. Im Prinzip zwar richtig, aber nicht die ganze Wahrheit.
Warum ist das nun so?
Nun zu allererst diese Methode aus Sicht der Makronährstoffe. Die Zielkalorien des Tages sind beispielsweise 1400 kcal. Aufgefüllt werden sie nach der umstrittenen Methode. Also mit Schokolade, Chips und Weißbrot mit Marmelade. Nun nimmt man von allen Lebensmitteln genau so viel zu sich, dass sie am Ende des Tages 1400 kcal ergeben, somit das Kaloriendefizit einhält. Doch was hat man genau zu sich genommen? Schokolade enthält sowohl Kohlenhydrate, aber vor allem sehr viel Fett und ein wenig Eiweiß. Chips haben eigentlich eine sehr ähnliche Zusammensetzung, jedoch enthalten Chips auch noch jede Menge Salz. Weißbrot besteht zu einem beachtlichen Teil aus Kohlenhydraten, einer Mischung aus kurzkettigen und teilweise auch langkettigen, aber heruntergebrochen auch einfach nur Zucker. Genauso geht es der Marmelade am Brot, denn bei der Herstellung von Marmelade fließt reichlich Zucker und zusätzlich auch noch der Fruchtzucker der Früchte, falls tatsächlich echte Früchte verarbeitet wurden. Bedeutet unterm Strich, dass der Bedarf mit Kohlenhydraten und Fett gefüllt wurde und sehr wenig Eiweiß dem Körper zugeführt wurde. Würde sich diese Ernährungsweise auf diesen einen Tag beschränken, hätte es keinerlei erkennbare Auswirkungen auf den Organismus, doch auf lange Sicht gesehen hat diese Nährstoffzusammensetzung schwerwiegende Folgen.
Zuallererst zu den Makronährstoffen: Über diese Ernährung nimmt der Körper ungefähr 200% des Tagesbedarfs an Kohlenhydraten zu sich. Eine deutliche Unterversorgung an Eiweiß (je nach Anteil der einzelnen Lebensmittel 20% des Bedarfs) ist ebenfalls eine Folge. Außerdem kommt auch noch eine deutlich erhöhte Fettzufuhr dazu (bei etwa 150%). Alles in allem lässt sich allein aus den Werten schon ein deutlicher Trend für die langfristige Entwicklung des Körpers erkennen. Der Eiweißmangel führt zum schlechteren Erhalt der aufgebauten Muskelmasse. Doch es gibt noch weitere Folgen durch diese Ernährungsweise. Kohlenhydrate sind Energielieferanten und tatsächlich gilt in gewisser Weise: Viel hilft viel. Doch hilft es nichts, wenn der ganze Zucker nicht benötigt wird. Er führt aber tatsächlich zu Konzentrationsproblemen, wenn man zu viel minderwertigen Zucker zu sich nimmt. Das hängt vor allem damit zusammen, dass kurzkettige Kohlenhydrate im Körper sehr schnell den Insulinspiegel steigen lassen und danach ein harter Absturz kommt, welcher Ermüdung und auch geistiger Erschöpfung führt. Daher sind Kekse, Chips und Co. kein guter Ratgeber für Zeiten in denen Konzentration gefragt ist. Außerdem machen die vielen ungenutzten Kohlenhydrate den Körper unruhig, denn die Energie will mehr oder weniger ein Ventil haben. Vor allem abends ist das ein Problem, da der extrem hohe Kohlenhydratspiegel zu Einschlafproblemen führt. Der Überschuss an Fett führt langfristig zu Gefäß und Herzproblemen, denn Fett, selbst wenn es sich nicht als Körperfett anlegt wird, führt das überschüssige Fett zu Ablagerungen im Blutkreislauf, welche über die Dauer von mehreren Jahren zu gesundheitlichen Problemen führen kann.
So viel zu den Makronährstoffen, doch auch die Mikronährstoffe, also die Feinheiten leiden maßlos unter der problematischen Lebensmittelzufuhr. Diverse Vitamine, Eisen, Magnesium, Kalzium, Selen, Jod und Zink sind einige der wichtigsten Mikronährstoffe. Doch all diese Nährstoffe sind in der besprochenen Ernährung gar nicht bis maximal zu wenig vorhanden, wodurch es auch hier zu Mängeln kommt. Und auch hier muss zur Vollständigkeit gesagt werden, dass diese Mängel keinerlei akute Auswirkungen haben, jedoch auch hier langfristig echte ernsthafte Schäden zu erwarten sind.
Was bedeutet das unterm Strich: Tatsächlich wird man mit dieser Methode abnehmen, doch auf Dauer führt es zu körperlichen Schäden, Problem mit den Gelenken, dem Darm, den Muskeln, der Konzentration und dem Schlaf. Das heißt man wird zwar abnehmen, sollte sich jedoch die Frage stellen: Zu welchem Preis?
Außerdem kommt ein Faktor hinzu, der bis jetzt nicht besprochen wurde: Die genannten Lebensmittel haben allesamt extrem viel Kalorien auf 100g. Das bedeutet, dass man für die Einhaltung eines Defizits nur sehr geringe Mengen dieser Lebensmittel zu sich nehmen kann. Und wer das schon mal probiert hat, wird merken, dass der Hunger einen mit der Zeit einholen wird. Das kann man über eine gewisse Zeit zwar aushalten, ab einem gewissen Punkt spielt einem die Psyche jedoch Streiche, die letztlich dazu führen, dass man dann doch ordentliche Gerichte isst. Jedoch kommt man dann schnell vom Defizit zum Überschuss. Wenn man also nicht mit einer großen Disziplin diese Idee verfolgt, kann es schneller mit Übergewicht enden als man denkt.
Somit lässt sich zum Schluss sagen, dass die Anhänger dieser leckeren Methode zwar im Grunde recht behalten, also abnehmen würden, es jedoch schief geht, wenn man langfristig gesund bleiben möchte. Daher ist das ganze zwar ein interessanter Ansatz, jedoch, wie immer bei Diäten, muss man die Vorgehensweisen im Detail analysieren, um die tatsächliche langfristige Wirkungsweise festzustellen.