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Wo eine Verletzung schmerzt

Inhaltsverzeichnis

Es gibt nur wenig deprimierenderes als eine große Blogserie mit einer Verletzung einzuleiten. Zumindest dann, wenn die Blogserie vor allem das Thema Training und Vorbereitung behandeln soll. Ein schmerzhaftes Zeugnis, welches über die physischen Schmerzen einer Verletzung weit hinausgeht.

Was passiert ist

Allein das bleibt schon eine große offene Frage. Was ist passiert? Eine Verletzung und ihr Muster sind normalerweise so einleuchtend, so selbsterklärend und so anschaulich. Nur in diesem Fall identifiziere ich mich, zu meinem Nachteil, als Ausnahme. Nun ja. Training ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, sodass ich die letzte Zeit vor allem in Anbetracht meines großen (eigentlich) kommenden Projekts in einer Art Trance nur eben mit Sport und Training verbracht habe. Es war Bestandteil meiner Vorbereitung und wer meinen Trainingsplan schon mal gesehen hat, weiß auch über dessen Umfang genau Bescheid. Man könnte sagen: “Ja bei so einem Trainingsplan – kein Wunder!”, dabei hat sich das Pensum, das Volumen in letzter Zeit kaum gesteigert. Sehr natürlich und sehr gradual.

Und eines Tages dann beim Training, plötzlich Schmerzen. Schmerzen so stark, dass das Gehen zur Qual wird, bergauf und bergab keine Option mehr sind und ich ständig Knacken, Knarren, Knirschen und Co. verspüre. Was ist passiert? Eine Frage, die ich mir nach dem ersten Auftreten der Schmerzen häufig gestellt habe. Ich habe bis heute keine Antwort darauf.

Wo war der Fehler?

Gut, es ist wohl meinem Körper etwas zugestoßen, was mir im Bewusstsein nicht aufschien, wenngleich ich wusste, dass ich mich an den Grenzen meiner Leistungskapazität befinde. Doch die Grenzen sind ein gefährliches Areal. Nie weiß man, wann man eigentlich im Feindesland, dem Risiko einer Verletzung unterwegs ist und wann man noch auf sicherem Boden steht. Meist merkt man es erst, wenn der Bombenhagel kommt und die ersten Symptome sich bemerkbar machen. Eine ernüchternde Erkenntnis.

Denn eindeutig ist, man hat es sich zu diesem Zeitpunkt schon verscherzt, wenngleich noch nicht klar ist, inwieweit. Man befindet sich nun also in einem Stadium der Leere. Es gibt keine Information über den Stand der eigenen Gesundheit, noch geht es weiter vorwärts. Und in dieser Leere ist viel Zeit. Zeit um nachzudenken, Zeit um zu verzweifeln, Zeit für Fragen. Was hab ich falsch gemacht? Oder war es nur Pech? Wieso verletzte ich mich, wenn ich kein Trauma erlitten habe? Wo liegt hier die Logik vergraben, die sich mir nicht erschließen will? Ich weiß es nicht…

Medizinischer Rat ist gut und teuer

Fünf Ärzte, sechs Meinungen. Man kennt es. Und vor allem weiß man auch, dass die eigenen Sorgen in fremden Ohren und Augen selten so hoch bemessen werden. Natürlich nicht, schließlich kennt niemand meine Beweggründe, meine Pläne, meine Gedanken und meine Ideen. Erst im großen Bild lässt sich Verzweiflung verstehen, doch welcher Arzt hat heute dafür noch den Willen oder die Zeit? Kaum noch einer, wie ich feststellen durfte. Doch auch das Glück und vor allem die zufällig richtigen Entscheidungen in den richtigen Momenten sollten mir zu einer schnelleren Hilfe ereilen als ich es erwartet hätte.

Der Entschluss nicht von Allgemeinmediziner zu Allgemeinmediziner zu latschen, weil die Fachärzte ihre Termine erst in weiter Ferne vergeben, sondern in die Unfallabteilung des Krankenhauses zu gehen, erwies sich als richtig. Denn hier konnte ich dem Glück entgegensehen, einem hochkompetenten Orthopäden und Chirurgen mit offenem Ohr und der Geduld und der Neugier eines leidenschaftlichen Experten entgegenzublicken. Ein Glück. Er verschafft mir schnell ein MRT, schnell ein Röntgen und will die Abklärung so schnell es geht in die Gänge bringen. Ein Ansatz, der mir von anderen Fachärzten nicht so entgegenströmte.

Man denkt weiter als die Verletzung

Nur weil man einen guten Arzt gefunden hat, hat man immer noch nur einen Arzt und keinen Zauberer entdeckt. Denn die Wahrheit ist, man stellt Fragen auf die es keine Antwort gibt. Und da einem das vollkommen klar ist, stellt man sie nicht dem Arzt, der sie nicht beantworten kann, sondern sich selbst. “Was hab ich?” “Was könnte das sein?”, “Wieso jetzt eine Verletzung?”, “Wie viel Pech kann man haben?”. Fragen, auf die auch ich keine Antwort habe, aber der Prozess des Analysierens und des Denkens lässt sich schlecht abschalten. Schnell beschäftigte ich mich mit den einzelnen Heilprozessen hinter Meniskusriss, Kreuzbandriss, Knorpelschaden und Co. und will wissen wie lange ich ausfalle. Mit den Ergebnissen meiner Recherchen zu meiner Verletzung und ihren Symptomen reite ich mich nur noch weiter in ein Tief. Lassen kann ich es aber auch nicht.

Ein Mangel an Verständnis

Das Problem ist nicht, dass es so viel Ungewissheit gibt. Das Problem ist auch nicht, dass die Antworten auf alle Fragen wohl keine sind, die man wirklich hören will. Das Problem ist, dass alle Menschen einen “aufheitern”, in dem sie Mitleidsbekundungen äußern, die das Papier nicht wert sind auf dem sie stehen. Das mache ich selbstverständlich nicht den Verkündern selbst zum Vorwurf, es ist eine gesellschaftliche Erwartung, die hier erfüllt wird. Einen Leistungssportler und Athleten stimmen diese Worte aber niemals ruhig. Eher noch wütend. Denn der Leistungssportler denkt nicht an die Schmerzen, von denen das Umfeld abzulenken versucht. Der Leistungssportler denkt an seine Leistung. Welche er bisher erbracht hat, welche er erbringen wollte und welche er nun nicht mehr erbringen kann.

Man sollte Menschen, in einer Situation wie meiner, nicht erklären, dass alles wieder gut wird. Gut wird es sicher und das weiß ein jeder. Auch ich. Aber gut ist nicht der Maßstab, den ich verfolge. Wenn der Maßstab stets ist, über sich selbst hinauszuwachsen, dann ist man über die eigene Definition des Wortes “gut” schon lange hinweg. Einem zuzureden, dass alles “wieder gut wird”, ist für den leistungsorientierten Sportler ein Schlag ins Gesicht. Es wirkt wie eine Prophezeiung, dass man auf ein Level absinken wird, das man schon längst hinter sich lassen wollte. Denn die außerordentlichen Leistungen im Sport, vor allem im Alpinismus, leben davon, außerordentlich zu sein.

Woran man es misst…

“Gut” im Sinne eines guten Gesundheitszustands ist die Maßgabe des Lebens, aber definitiv nicht außerordentlich. Und natürlich bleibt das alles meckern auf hohem Niveau. Die Kinder in Afrika werden nie gesund Bergsteigen können ob ihrer Mangelernährung. Die Großeltern werden nie die Gipfel sehen, die ich gesehen habe, weil sie in meinem Alter mit dem Überleben beschäftigt waren. Doch relativieren ist in der frischen Zeit einer Verletzung genau das, was man selbst in Zeiten der Verarbeitung eines Traumas, wenngleich eines “Leistungstraumas” wenn man so will, eben gerade nicht braucht.

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